Ein Jahr nach dem Carve Out

Ein Interview mit Bahadir Basdere

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Trench ist seit gut einem Jahr eigenständig. Wie lautet Ihr erstes Resümee? Und wie hat sich das Unternehmen in diesem Jahr seit dem sogenannten „Carve-Out“ verändert?

Dr. Bahadir Basdere: Das Jahr, das seit dem Carve-Out vergangen ist, fühlt sich an wie im Zeitraffer. Es war unglaublich spannend, intensiv und dynamisch. Die Vorbereitungen dazu haben schon vor dem 1. April 2024 begonnen. Wir haben einige Zeit vor diesem Datum mit unserem Eigentümer entschieden, dass Trench eigenständig werden würde.

Erzählen Sie bitte, wie es zu der Entscheidung gekommen ist.

Basdere: Wir waren davon überzeugt, dass wir in einem sehr dynamischen und spannenden Marktumfeld als Teil eines Großkonzerns wie Siemens Energy Schwierigkeiten haben würden, unsere starke Marktposition zu verteidigen und unser Wachstum voll auszuschöpfen. Wir haben die Siemens Energy-Wettbewerber General Electric (GE) und Hitachi schon sehr lange auch unter dem Dach von Siemens Energy bedient, aber immer mit angezogener Handbremse. Wir haben den Carve-Out auch deshalb gemacht, weil wir gesehen haben, dass es unter unserem alten Eigentümer nicht möglich war, ausreichend in unser Wachstum zu investieren.

Das hat Ihnen als Management-Team natürlich nicht gefallen…

Basdere: …natürlich nicht. Trench war auch damals schon führend in seinen Märkten. Und diese Märkte explodierten dann geradezu! Um mit dem Markt zu wachsen, sind Investitionen in die Produktionskapazitäten, in Innovation, in Menschen nötig. Die Logik ist einfach: wenn man in einer solchen Phase nicht mindestens mit dem Markt wächst, verliert man Marktanteile. Und das kann der Anfang vom Ende sein.

Aber wenn die Marktlage damals so gut war: warum hat Siemens Energy Trench überhaupt verkauft?

Basdere: Unser damaliger Eigentümer hat strategisch beschlossen, sich auf Großprojekte zu konzentrieren. Unser Geschäft ist vor allem direktes Produktgeschäft. Projektgeschäfte haben einen anderen Charakter, sind langfristig gesteuert. Zudem wurde die Organisationsstruktur so geändert, dass Trench nicht mehr richtig reingepasst hat. Der Konzern hatte zu der Zeit auch Probleme. Die Zahlen stimmten nicht, der Windkraftbereich war eine große Baustelle. So gesehen war der Verkauf von Trench eine gute Gelegenheit für Siemens Energy, sein System einfacher zu gestalten. schließlich hat sich Trench als einfachste und schnellste Möglichkeit für einen Verkauf angeboten.

Wie hat die Belegschaft reagiert, als der Verkauf zum Thema wurde? Das Dach von Siemens Energy hat sicher vielen ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Wie haben Sie es geschafft, den Mitarbeitenden den Verkauf als Chance und nicht als Bedrohung zu vermitteln?

Basdere: Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Und da muss man ein bisschen differenzieren. Trench hat heute rund 2600 Mitarbeitende, vor zwei Jahren waren es noch knapp 2400. Ein Großteil dieser Menschen hat in den Fabriken gearbeitet. Und diese Einheiten, diese Fabriken, waren immer schon sehr eigenständig, auch als wir noch zu Siemens Energy gehörten. Alle Trench-Einheiten haben eine Historie vor der Zeit bei Siemens Energy, also vor 2004. Und da gab es auch schon eine Trench-Kultur.

Können Sie das erklären? Was ist die Trench-Kultur?

Basdere: Es gibt mehrere Kulturen bei Trench. Unser Unternehmen ist organisch durch Zukäufe zu dem geworden, was es heute ist. Wir haben eine Geschichte, die 125 Jahre zurückreicht – und es ist die Geschichte vieler einzelner Persönlichkeiten und Unternehmen. Dazu gehören Haefely in der Schweiz, Meirowsky in Köln, Raupach in Bamberg, Scarpa & Magnano in Italien und natürlich Tony Trench in Kanada. All diese Personen haben einen wesentlichen Beitrag zur Identität der heutigen Firma Trench geleistet. In Italien wurde beispielsweise der Messwandler erfunden, in Köln die Durchführung, Tony Trench, nach dem das Unternehmen benannt ist, hat 1962 die Spule erfunden. Es sind also unterschiedlichste Kulturen, die in mehr als 100 Jahren zusammengewachsen sind.

Wie weit sind Sie mit dem Prozess der Eigenständigkeit?

Basdere: Wir sind heute zu 100% eigenständig, es gibt also keine Abhängigkeiten mehr mit unserem alten Eigentümer. Dieses Stadium der Eigenständigkeit haben wir schnell nach dem Carve-Out erreicht. Das ist nicht selbstverständlich, das möchte ich ausdrücklich betonen. Die Geschwindigkeit, mit der wir unsere Autonomie erreicht haben, ist bemerkenswert. Das ist eine große Leistung des gesamten Teams! Und ich bin sehr dankbar, dass ich Teil dieses Teams sein kann. Zu diesem Prozess gehört auch, dass wir unsere Trench-Vertriebsorganisation sehr schnell von der globalen Siemens Energy-Organisation getrennt und eigenständig aufgestellt haben. Wir waren Tag und Nacht unterwegs und haben neue Agenten identifiziert, neue Vertriebskanäle aufgebaut. Das steht alles. Auch da hat das Team einen fantastischen Job gemacht. Eine gut aufgestellte Vertriebsstruktur ist für uns wichtig, sie sorgt dafür, dass wir unsere globale Präsenz aufrechterhalten können.

Im Bereich Finanzen lief es anfangs etwas holprig, dann kam aber im Juni 2024 unsere CFO Brigitte Kurz an Bord. Es wurden die nötigen professionellen Strukturen geschaffen und die zu uns passenden Kolleginnen und Kollegen gefunden. Vor allem aber ist es uns schon nach zehn Monaten der Eigenständigkeit gelungen, eine Refinanzierung abzuschließen. Damit haben wir uns auch in der Finanzstruktur eigenständig und vor allem für die Zukunft handlungsfähig aufgestellt. Das schafft Raum für Wachstum, neue Arbeitsplätze und sichert zudem die bestehenden Jobs.

Wir sind also insgesamt auf einem guten Weg. Und man darf nicht vergessen: wir haben parallel unser Geschäft nach vorne gebracht. Wir sind gewachsen. Im Vergleich zum Geschäftsjahr 2023 sind wir im Geschäftsjahr 2024 um fast 30% im Umsatz gewachsen. Das ist sehr viel. Wir sind gemessen am Auftragseingang ein Milliardenunternehmen geworden.

Das klingt alles sehr erfreulich. Aber die Transformation zu einem eigenständigen Unternehmen ist ein umfassender Prozess, der auch Themen wir eine gemeinsame Kultur und einen gemeinsamen Trench-Spirit einschließt. Wie weit sind Sie damit?

Basdere:  Daran arbeiten wir hart. Wir müssen uns intensiv darum kümmern, die vielen neuen Kolleginnen und Kollegen abzuholen und zu integrieren. Allein im Headquarter sind zwei Drittel der Kolleginnen und Kollegen neu dazugekommen. Das ist eine große Veränderung, die ich zum einen sehr genieße, weil wir dadurch viele neue Impulse bekommen. Aber zum anderen müssen diese Mitarbeitenden jetzt integriert werden. Vor allem müssen sie sich schnell mit ihren Schnittstellen in den Fabriken verknüpfen. Es ist sehr wichtig, dass wir die Integration auf dieser Ebene sauber hinbekommen. Das ist eine große Herausforderung.

Das erfordert auch neue Prozesse…

Basdere: … absolut. Und dazu gehört auch das Thema Professionalisierung unserer Prozesse. Wir müssen unsere Strukturen und Abläufe effizient gestalten. Das ist eine große Aufgabe, denn Trench kommt aus einem Konzern, der sehr reguliert ist. In all dem steckt für uns aber eine große Chance: wenn wir die Regulierung reduzieren und gleichzeitig die Professionalität erhöhen, kommen wir schnell auf ein sehr ansprechendes Niveau. Wir haben dafür alle Voraussetzungen: eine gewisse Größe, neun Produktionsstätten und vier Repräsentanzen weltweit, ein Auftragsvolumen von mehr als einer Milliarde Euro.

Triton Partners, der Eigentümer der Trench Group, ist ein Private Equity-Unternehmen. Warum ist Triton ein guter Partner für Trench?

Basdere: Wir verfolgen mit unserem Eigentümer ein gemeinschaftliches Interesse, nämlich das Unternehmen zu verbessern und es in seinen Wert zu steigern. Dafür müssen ein paar Aufgaben erledigt werden: etwa das Volumen zu steigern, die Produktivität zu steigern – Produkte also effizienter herzustellen – und natürlich zu wachsen. Das hat Vorteile für beide, den Eigentümer und das Unternehmen.

Hat es auch Vorteile für die Mitarbeitenden?

Basdere: Natürlich! Für die vor allem! Denn nachhaltiges Wachstum bedeutet langfristige Arbeitsplatzsicherung. Zudem schaffen wir gut bezahlte Jobs. Es ist eine Win-Win-Situation. Was sich durch das Private-Equity-Umfeld auch sehr positiv verändert hat, ist die Geschwindigkeit, mit der wir Entscheidungen treffen können. Und zwar für das eigene Unternehmen. Es ist sehr wohltuend, nicht mehr Sachzwängen eines Konzerns zu unterliegen.

Anders als im Großkonzern?

Basdere: Sachzwänge sind in einem großen Konzern immer gegeben. Wenn dort in einem Bereich Probleme bestehen, werden diese oft auf Kosten eines gut funktionierenden Bereichs behoben. Das macht aus der Sicht des Konzern-Managements Sinn. Der gut laufende Bereich erhält aber dann oft nicht die Mittel, die er bräuchte, um in sein eigenes Wachstum zu investieren. Bei Trench ist es seit dem Carve-Out so, dass wir das Geld, das wir verdienen, vollumfänglich für unser Wachstum verwenden können. Konkret bedeutet das, dass wir in diesem und auch den nächsten Geschäftsjahren doppelt so viel Geld pro Jahr investieren, als wir es unter Siemens Energy getan haben.

Sie haben die Geschwindigkeit der Entscheidungen erwähnt. Haben Sie ein Beispiel?

Basdere: Unser Werk in Österreich. Das werden wir im Volumen verdoppeln. Dort investieren wir mehr als 40 Millionen Euro in die Fabrik in Leonding bei Linz. Das wäre als Teil von Siemens Energy mit großer Wahrscheinlichkeit nicht möglich gewesen. Wir haben diese Investition mit Triton in kürzester Zeit entschieden. Auch die Entscheidung, ein neues Werk in den USA zu bauen, haben wir innerhalb weniger Wochen getroffen entschieden – das hätte in einem Konzern bestimmt anderthalb Jahre gedauert.

Geschwindigkeit ist also ein großer Vorteil…

Basdere: …absolut! Geschwindigkeit ist wichtig, weil die Welt sich auch mit hoher Geschwindigkeit ändert. In einem solchen Umfeld ist es ein großer Vorteil, einen Eigentümer zu haben, der einen starken industriellen Fokus hat und deshalb weiß, wann Chancen genutzt werden müssen. Die Mitglieder unseres Advisory Committee verstehen unser Geschäft und unsere Märkte sehr genau: sie waren bei Unternehmen wie ABB und Siemens in hohen verantwortlichen Positionen tätig und werden ergänzt durch Partner unseres Eigentümers Triton. Diese bringen zusätzlich ein tiefes Wissen über Finanzmarkt- und Investmentthemen ein. Es ist ein echtes Privileg, mit diesen Personen zu arbeiten.

Das Ziel jedes Private Equity-Unternehmens ist es, die Anteile an den gekauften Unternehmen mittelfristig wieder in andere Hände zu geben. In der Fachsprache nennt man das Exit-Prozess. Für Trench ergeben sich daraus auch wieder neue Möglichkeiten. Welche sind das aus Ihrer Sicht?

Basdere: Das Geschäftsmodell von Private Equity-Unternehmen ist es, Firmen zu kaufen, die entweder schlecht laufen oder sich in einem Umfeld befinden, in dem sie sich nicht vollumfänglich entfalten können. Letzteres trifft auf Trench zu. Wir sind ein Diamant unserer Industrie, unser wahrer Wert konnte sich aber in dem riesigen Unternehmen Siemens Energy nicht entfalten. Wir waren dort falsch aufgehoben. Die Möglichkeiten und Finanzmittel, die wir durch den Carve Out erhalten haben, haben uns in kurzer Zeit dazu befähigt, zu wachsen und diesen Diamanten zum Funkeln zu bringen. Und in diesem Prozess ist es natürlich vorgesehen, dass die Trench Group als gestärktes Unternehmen wieder in andere Hände kommt. Das nennt man in dieser Finanzmarkt- und Investmentsprache „Exit“. Wie dieser Exit verlaufen wird, können wir jetzt noch nicht absehen. Es gibt aber mehrere Möglichkeiten, etwa ein weiteres Private Equity-Unternehmen, ein sogenannter Strategischer Investor, ein anderes Industrieunternehmen. Es kann aber auch sein, dass wir an die Börse gehen. Es ist aber im Grunde nicht wichtig, wer irgendwann der nächste Eigentümer ist. Wichtig ist, dass wir unsere Position gestärkt haben, dass wir ein besseres, erfolgreicheres Unternehmen geworden sind.

Wie weit sind Sie dabei schon gekommen?

Basdere: Wir sind auf einem sehr, sehr guten Weg. Wir sind ein sogenanntes Plattforminvestment. Das bedeutet: ein Investor wie Triton kauft einen Industrie-Diamanten wie Trench, erarbeitet mit dem Management einen mittelfristigen Wachstumsplan und lässt diesen sich entfalten. Das passiert gerade bei uns. Und das wird die nächsten gut zwei Jahre auch so bleiben. Da steht das organische Wachstum im Fokus, also der Ausbau unserer Marktposition sowie die Verbesserung unserer Produktivität.

Kommen auch Zukäufe in Frage?

Basdere: Selbstverständlich schauen wir, welches Unternehmen es auf dem Markt zu uns passen könnte. Aber derzeit haben wir alle Hände voll zu tun, mit dem momentanen Wachstum fertig zu werden. Ein anderes Unternehmen zu kaufen und es in die Gruppe zu integrieren, bedeutet hohen Aufwand. Das würde uns derzeit vielleicht überfordern.

ok Schlüssel

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